Seit Conan ist das zweihändige Schwert ein fester Bestandteil dessen, was wir uns als „mittelalterliche Waffe“ vorstellen. Rollenspiele wie D&D haben diese kollektive Vorstellung noch weiter gefestigt. Ein „Ritter“ in voller Plattenrüstung mit mächtigem Zweihänder erscheint uns völlig passend.

Die Realität zeigt – natürlich – ein gänzlich anderes Bild. Zweihändige Schwerter tauchen erst relativ spät auf Darstellungen auf. Zuerst sind es einhändige Schwerter, die einfach mit beiden Händen gegriffen werden, um mehr Wucht zu erzeugen. Erst später tauchen längere Griffe auf, um die linke Hand auch wirklich effektiv nutzen zu können.

Genau hier beginnt die Begriffsverwirrung, mit der wir uns im Historischen Fechten heute herumschlagen müssen. Denn wo liegt der Unterschied zwischen einem „Langen Schwert“, einem „Schwert zu zwei Händen“, einem Epée de Guerre, dem Spadone und dem Montante?

Die These

Ich habe eine Arbeits-These entwickelt, um in meinem neuen Buch eine Unterscheidung und Abgrenzung treffen zu können. Diese kann, muss aber natürlich nicht historisch vollkommen korrekt sein – sie basiert zwar auf historischen Fakten, wurde aber allein durch Vergleich erarbeitet.

Ich gehe also davon aus, dass es irgendwann im Hochmittelalter eine Aufspaltung in zwei Waffenformen gab. Die eine wurde für den ritterlichen Kampf im Harnisch optimiert. Diese sollte sich im Laufe der Zeit zu dem entwickeln, was heute als „Langes Schwert“ bezeichnet wird: Eine Waffe von ca. 120 cm Gesamtlänge, mit einer Klingenlänge von 90 – 100 cm.

Diese Klinge wurde mehr auf den Stoß hin optimiert, da man damit in die Schwachstellen des Harnischs stechen und eventuelles Kettengeflecht durchstoßen konnte.

Zweihänder im Hochmittelalter

Ein Zweihänder gegen Ringelpanzer.

Die andere Form wurde für den Kampf zu Fuß gegen eher schwach gerüstete Gegner entwickelt. Diese Schwerter wurden als Epée de Guerre, als „Kriegs-“ oder „Schlachtschwerter“ bezeichnet. Sie werden immer länger, mit Gesamtlängen bis zu 145 cm, wobei vor allem der Griff immer länger wird. 30 cm und mehr sind keine Seltenheit.

Die Klingengeometrie ist flach, linsenförmig oder rhombisch, der Ort eher gerundet und geschliffen. Damit sind sie auf Hiebe hin optimiert, mit einem langen Hebel am Griff.

Im späteren Verlauf, werden diese Schlachtschwerter schließlich noch länger, sie bekommen Haken unterhalb des Ricassos und weite Pariere. Sie werden zu dem, was man gemeinhin als „Zweihänder“ kennt.

In Italien nennen wie sie Spadone, auf der Iberischen Halbinsel Montante.

Der Zweihänder der Bologneser – das Bologneser Spadone

Für unsere Zwecke müssen wir nun aber noch eine weitere Kategorie einführen: das Bologneser Spadone. Dies ist notwendig, weil uns die Schwertschmiede der Geschichte leider ein besonderes Ei gelegt haben, und die Zweihänder ab ca. 1550 europaweit immer länger werden.

Damit haben wir dann den Begriff Spadone zwar immer noch im Zusammenhang mit dem „Zweihänder“, allerdings kann das dann auch ein Schwert von 170 cm Länge bezeichnen – und das passt ganz und gar nicht zu den Quellen der Bologneser Tradition, wie Marozzo.

Spadone-Typen bei Marozzo

Die beiden Typen von Spadoni, die bei Marozzo abgebildet sind.

In seinem Buch finden wir auch Darstellungen des Spadone, an denen wir uns orientieren können – aber Achtung! – es gibt zwei Varianten. Eine mit, und eine ohne Haken, aber immer mit Ricasso (Fehlschärfe).

Das Bologneser Spadone zeichnet sich dadurch aus, dass es generell maximal 150 cm lang ist, eher darunter, und relativ kleine Elzette (Parierhaken) aufweist die vor einem maximal handbreiten Ricasso liegen. Außerdem hat es keine Eselshufe (Ringe am Kreuz).

Mit dieser Definition können wir Schwerter klassifizieren, die sich für die in den Quellen beschriebenen Techniken perfekt eignen.

Das Montante gehört übrigens in die Kategorie der späten Spadoni, hat in seiner Form aber mehr Ähnlichkeit mit dem Bologneser Typus (kleine Haken, kurzes Ricasso) – es ist aber deutlich länger.

Spadone vs. Schlachtschwert

Worin besteht nun der Unterschied zwischen einem Spadone und einem Schlachtschwert (Spada di Pugna)? Rein optisch einmal im Fehlen der Haken bei letzterem – und dem des Ricassos. Ohne Fehlschärfe und Haken lassen sich diese Schwerter aber nicht gegen Stangenwaffen einsetzen, wie uns das Marozzo beispielsweise zeigt.

Schlachtschwert im Castel Beseno

Schlachtschwert im Castel Beseno, Trentino, Italien

Schlachtschwerter sind tendentiell kürzer als die späteren Spadoni. Die Grifflänge liegt irgendwo zwischen 35 und 40 cm, die Klinge meist um 100 cm. Dies ermöglicht aber bereits eine andere Führung, als etwa beim Langen Schwert mit zumeist kürzerem Griff.

Das Schlachtschwert ist eine Waffe, die die Wendigkeit eines einhändigen Schwertes mit der Durchschlagskraft einer zweihändigen Klinge vereint. Durch den langen Hebel lässt die Klinge sich blitzschnell beschleunigen, aber auch schnell in Bahnwechseln und Stöße führen.

Sowohl die Techniken eines Pietro Monte, als auch des Anonimo Riccardiano lassen sich mit einer solchen Waffe einwandfrei fechten.

Quellen zum Zweihänder

Damit sind wir auch schon beim – für Historische Fechter – interessantesten Teil: den Quellen. Für das Bologneser Spadone haben wir zwei: Achille Marozzo und den Anonimo Bolognese. Leider fehlt uns bei letzterem ein großer Teil dieses Kapitels, sodass wir uns mit dem wenigen zufrieden geben müssen, das uns erhalten ist.

Marozzo ist da deutlich umfangreicher, beschreibt aber vor allem Assalti, also Schulformen. Einerseits lassen sich damit grundlegende Bewegungsformen gut rekonstruieren, andererseits fehlt uns damit aber das Werkzeug, um diese Techniken im freien Gefecht einzusetzen. Wie sich in der Praxis zeigt, gibt es hier noch einige Hindernisse zu überwinden.

Für das Italienische Schlachtschwert haben wir ebenfalls zwei Quellen. Einerseits Pietro Monte, der allerdings wenig umfangreich ist und sich auf eher grundlegende Methoden beschränkt. Andererseits haben wir den Anonimo Riccardiano, der zwar in seinen Aufzeichnungen ein wenig kryptisch ist, dafür aber umfangreicher.

Verwandtschaftsverhältnisse

Warum sich zum Spadone noch mit dem Schlachtschwert beschäftigen? Wegen der Verwandtschaft der Zweihänder. Im Gegensatz zum Langen Schwert, sind diese beiden Typen nicht nur physisch sehr ähnlich, sie ähneln sich auch sehr stark in ihrem Gebrauch.

Wenn man sich mit den Methoden beschäftigt, mit denen der Vorfahr geführt wurde, kann man etwas leichter die Dinge interpolieren, die in den Quellen zum Nachfahren fehlen. Das ergibt dann ein deutlich umfassenderes Verständnis – und damit auch ein stabileres Fundament, auf dem man aufbauen kann.

Andererseits lassen sich einige Techniken aus dem Spadone auch auf das Schlachtschwert anwenden, wodurch man hier einige Lücken schließen kann – ohne auf wirklich fremde „Frog-DNA“ zurückgreifen zu müssen.

Das italienische Schlachtschwert des 15. und 16. Jahrhunderts ist eine Art jüngerer Bruder des Bologneser Spadone. Sich mit den beiden zu beschäftigen, ergibt also ein Bild der Familie, wenn man so will.

Fazit

Zweihändige Schwerter sind im Historischen Fechten zwar enorm beliebt, wirklich in die Tiefe gehen aber nur wenige. Das mag auch daran liegen, dass echtes Freifechten damit zumeist als zu gefährlich betrachtet wird.

Will man aber über das bloße „Nachhampeln“ von einzelnen Technikfolgen hinaus kommen, bleibt einem die tiefergehende Beschäftigung nicht erspart. Gerade hier ist die Zuordnung von Schwerttypus und Quelle wesentlich. Ansonsten versucht man, mit einem Schraubenzieher einen Nagel einzuschlagen. Das funktioniert auch – ein Hammer ist aber besser geeignet.